Mit dem Klimaübereinkommen von Paris 2015 ist die Klimathematik auf dem Radar vieler Schweizer Unternehmen aufgetaucht und findet seither vermehrt Eingang in die Berichterstattung. Derzeit sind deshalb viele Unternehmen mit der Erarbeitung grundlegender Daten für eine CO2-Bilanz beschäftigt. Doch bereits fordern Anspruchsgruppen eine weitergehende «Klimaberichterstattung 2.0». Erfahren Sie, wie Dufry dies mit TCFD und SBTi angegangen ist.
Die Anforderungen an die Klimaberichterstattung entwickeln sich rasant weiter: Investoren, Analysten, Kunden und der Gesetzgeber erwarten heute eine wesentlich umfassendere Klimaberichterstattung als lediglich CO2-Bilanzen: quasi eine «Klimaberichterstattung 2.0». Diese soll ambitionierte Ziele, eine Governance zu Klimafragen sowie Klimaszenarien zur Abschätzung finanzieller Risiken beinhalten.
Die neuen Ansprüche an Unternehmen haben viel mit dem Prinzip der «doppelten Wesentlichkeit» zu tun. Dieses bildet die Einbettung eines Unternehmens in sein Umfeld ab: Das Unternehmen wirkt sich einerseits auf Umwelt und Gesellschaft aus («inside-out») und trägt zu Effekten wie beispielsweise zum Klimawandel bei. Diese Effekte wirken andererseits auf das Unternehmen ein («outside-in»). Zwei Standards haben sich etabliert, um diese beiden Seiten in der Klimaberichterstattung abzubilden: die Richtlinien der Science-Based Targets Initiative (SBTi) für «inside-out» und das Rahmenwerk der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) für «outside-in».
SBTi mit weitreichenden Anforderungen
Science-based Targets (SBTs) sind unternehmerische Klimaziele, die sich am aktuellen wissenschaftlichen Konsens und dem Pariser Klimaabkommen orientieren. Anstelle von willkürlichen Zielen wie «25 Prozent weniger Emissionen bis 2025» liefern SBTs eine sinnvolle und nachvollziehbare Grundlage.
Mehr zu SBTs und warum Ihr Unternehmen eines braucht, lesen Sie hier.
Wer die Richtlinien der SBTi umsetzen will, steht vor zahlreichen Herausforderungen. Zwei davon sind besonders wichtig: Erstens orientieren sich die Reduktionsziele an den Vorgaben für eine «1,5-Grad-Welt» und gehen damit oftmals weit über das hinaus, was sich Unternehmen früher als «plausible Reduktionsziele» selbst gesteckt haben. Zweitens zwingt der SBT-Ansatz Unternehmen dazu, Verantwortung über sich selbst hinaus in der gesamten Wertschöpfungskette zu übernehmen. Dieser Aspekt ist für Unternehmen mit bedeutenden Scope-3-Emissionen zentral. So auch für Dufry als internationaler Reise-Einzelhändler. Mit einem Beitrag von circa 90% dominiert der Einkauf von Produkten die Emissionen. Dabei hat das Unternehmen keinen Einfluss darauf, wie die Produkte hergestellt werden.
Im eigenen Betrieb (Scopes 1 und 2) muss Dufry gemäss den SBT-Richtlinien die CO2 -Emissionen bis 2030 um über 90% gegenüber 2019 senken. Da die Läden von Dufry weltweit in Flughafenstrukturen eingebunden sind, gelingt dies – neben einem energieeffizienten Design der Läden – mit Unterstützung einer zentral organisierten Beschaffung von erneuerbarem Strom mittels von der SBTi anerkannter Zertifikate. Dufry will dies bereit bis 2025 für den gesamten Strom erfüllen.
Für die Scope-3-Emissionen ist für Dufry die beste Lösung ein «Supplier Engagement Program». Dieses soll sicherstellen, dass bis 2027 mindestens 74% der Lieferanten – der Anteil wird auf Basis der Emissionen berechnet – SBT-Verpflichtungen aufweisen. Dieses weitreichende Ziel ist bei Dufry realistisch, da viele der Lieferanten aufgrund prominenter Markenprodukte selbst exponiert sind.
Die Ziele und zugehörige Lösungsansätze von Dufry wurden Anfang 2023 durch die SBTi erfolgreich validiert.
TCFD als neuer Denkansatz im Nachhaltigkeitsbereich
Die Task Force on Climate-related Financial Disclosures, besser bekannt als TCFD, ist eine im Dezember 2015 gestartete Initiative des FSB (Financial Stability Board), einem internationalen Gremium, das mit Unterstützung der G20-Mitglieder gegründet wurde, um die internationale Finanzstabilität zu fördern. Der Zweck der TCFD ist es, «dabei zu helfen, die Informationen zu identifizieren, die von Investoren, Kreditgebern und Versicherungsunternehmen benötigt werden, um klimabezogene Risiken und Chancen angemessen zu beurteilen und zu bewerten.»
Mehr zu TCFD und warum das wichtig ist, lesen Sie in unserem ausführlichen Artikel hier.
TCFD fordert die Integration von Klimathemen in Governance, Strategie und Risikomanagement. Dabei beruht TCFD auf der Annahme, dass klimabedingte Folgen Einwirkungen haben, die monetär bemessen werden sollten, und dass diese Einwirkungen gesteuert werden müssen.
Die TCFD-Vorgaben umzusetzen, bedeutet zunächst, eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Dufry hat hierzu verschiedene Fragestellungen bearbeitet und Antworten dazu in einem ersten TCFD-Bericht veröffentlicht:
- Wie kommen klimabezogene Themen bei Dufry auf die Management-Agenda?
- In welcher Form setzt sich das Risikomanagement von Dufry mit Klimarisiken auseinander?
- Welche Ziele kann sich Dufry setzen und wie wird deren Erreichung gemessen?
TCFD animiert Unternehmen, klimabezogene Zukünfte zunächst über qualitative Szenarien zu entwickeln, und erst später quantitative Szenarien zu modellieren. Vergleichbar mit dem SBT-Prozess, geht es darum, die Organisation auf klimabezogene Aspekte des Wirtschaftens zu trimmen und Know-how aufzubauen.
Wer wie Dufry die Umsetzung von SBT und TCFD parallel vorantreiben möchte – was aufgrund der Synergien durchaus Sinn macht –, könnte folgende Meilensteine setzen:
- Geschäftsmodell und Wertschöpfungskette analysieren: Was ist das CO2-Profil? Wo liegen die Klimarisiken?
- Daten erfassen und Ausgangslage kennen: Daten für CO2-Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette erfassen und Klimarisiken abschätzen.
- Ziele und Massnahmen entwickeln: Dialoge mit verschiedenen Unternehmensfunktionen herstellen.
- Validieren und berichten: Validierung durch die SBTi durchführen und TCFD-Bericht erstellen.
Unternehmen sind gut beraten, bereits im laufenden Jahr mit den Vorbereitungsarbeiten für eine umfassende «Klimaberichterstattung 2.0» zu starten.
Dieser Artikel wurde von Renzo Radice, Global Corporate Communications & Public Affairs Head bei Dufry, Dr. Stephan Lienin, Managing Partner Sustainserv, und Prof. Dr. Ralf Frank, Geschäftsführer Sustainserv Deutschland in The Reporting Times des Centers für Corporate Reporting zuerst publiziert.