Die Europäische Kommission (EK) beauftragte die EFRAG mit der Überarbeitung des ESRS, um den Aufwand für die Berichterstattung zu verringern und gleichzeitig die Kernziele der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) zu wahren.
EFRAG muss bis zum 31. Oktober 2025 eine technische Stellungnahme vorlegen. Der am 19. Juni 2025 veröffentlichte Bericht, den wir hier zusammenfassen, enthält eine Zwischenbilanz.
Zum Schluss geben wir Ihnen noch eine Einschätzung des Sachstands zu den ESRS aus unserer persönlichen Perspektive.
I. Von EFRAG identifizierte Bereiche der ESRS, die eine Vereinfachung notwendig machen
- Vereinfachung der doppelten Wesentlichkeitsbewertung (DMA)
- Übergang zu einem strategiegesteuerten Top-down-Ansatz
- Klärung von Konzepten (z. B. Brutto- vs. Nettoauswirkungen, Rolle von Unterthemen)
- Einführung eines Filters für die Wesentlichkeit von Informationen für alle Datenpunkte, einschließlich ESRS 2
- Stärkere Betonung einer fairen Präsentation (analog ISSB/IFRS S1), weniger «Checklistenverhalten»
- Verbesserung der Lesbarkeit und Integration
- Ermöglichung für Unternehmen, dem ESRS-Bericht eine ausführliche Zusammenfassung («Executive Summary») voranzustellen
- Ermöglichung von Anhängen für Metriken, Angaben aus der EU-Taxonomie sowie Erläuterung nicht-materieller Themen
- Überarbeitung der Vorschriften für Policies, Maßnahmen und Zielen («PATs, policies, actions and targets»)
- Verringerung von Überschneidungen zwischen ESRS 2 und anderen Standards
- Begrenzung der obligatorischen PAT-Angaben
- Hervorhebung der Aggregation und Flexibilität in der Berichterstattung
- Klärung obligatorischer vs. freiwilliger Inhalte
- Reduktion der Ausführungen zu freiwillige Inhalten
- Umstrukturierung der Normen zur Trennung von verbindlichen Anforderungen und Leitlinien
- Weitere Erleichterungen und Anpassungen
- Hinzufügen von pragmatischen Erleichterungen für Übergangszeiträume (z.B. bei Übernahmen, Restrukturierungen, M&A etc.)
- Datenpunkte der EU-Verordnung: Neubewertung der Relevanz von 16 % der Datenpunkte, die an die SFDR und andere Verordnungen gebunden sind
- Metrische Erleichterungen: Weitgehende Spielräume für Ausschlüsse oder Schätzungen, falls Daten nicht verfügbar oder unwesentlich sind
- Sektorspezifische Fragen: Aufnahme von Leitlinien für Finanzinstitute
- Zukunftsgerichtete Informationen: Angleichung an IFRS-Erleichterungen für Fälle mit hoher Unsicherheit
II. Verbesserung der globalen Interoperabilität
- insb. Anpassung an IFRS S1/S2 und das GHG-Protokoll
- Rekalibrierung der THG-Emissionsgrenze zur Anpassung an die konsolidierten Jahresabschlüsse
III. Datenpunkt-Reduzierung
- Ziel: Verringerung der Zahl der obligatorischen Datenpunkte um 50 %
- Herangehensweise:
- Eliminierung von Datenpunkten geringer Relevanz
- Ausbuchen von extrem granularen Datenpunkten in den Appendix des Berichts
- Übergang zu prinzipienbasierten erzählerischen Anforderungen
IV. Nächste Schritte
- Version 2 (V2) der Änderungsentwürfe: bis zum 2. Juli 2025
- Verabschiedung des Exposure Draft: Mitte bis Ende Juli
- Öffentliche Konsultation: Ende Juli bis Anfang September
- Kosten-Nutzen-Analyse: Zwischenbericht im Oktober, Abschlussbericht im Dezember
Unser Fazit
EFRAG hat eine umfassende Informationssammlung durchgeführt, um die Vereinfachung der ESRS voranzutreiben. Der Prozess zeichnete sich durch eine starke Datenbasis und Partizipation aus. Über 820 Stakeholdergruppen haben sich an der Kommentierung beteiligt (vom 8. April bis 7. Mai) und rund 16.000 Kommentare eingereicht. Zusätzlich wurden zahlreiche Einzelgespräche mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen, unterschiedlicher Größe und aus verschiedenen Ländern geführt. Darüber hinaus wurde die erste Welle an ESRS-Berichten untersucht und auf Verbesserungspotenziale analysiert.
Die vorläufige Bilanz bildet eine solide Grundlage, um die Tragweite der zu erwartenden Änderungen an den ESRS («ESRS Set 2») einschätzen zu können. Eine detaillierte Darstellung und Konkretisierung der Ergebnisse ist in der Zwischenbilanz jedoch nicht ersichtlich. Mit einfachen Worten: EFRAG berichtet, worüber in den Arbeitsgruppen diskutiert wird, aber nicht über die Ergebnisse oder Weichenstellungen. Das war vermutlich auch nicht anders zu erwarten, vergegenwärtigt man sich, wie kontrovers die Debatten um Omnibus von EU-Parlamentariern, NGOs und Unternehmen derzeit geführt werden.
In der aktuellen Zwischenbilanz weist EFRAG darauf hin, dass die in der Rechnungslegung übliche Sorgfaltspflicht («due diligence») aufgrund des zeitlichen Drucks nicht vollständig erfüllt werden konnte. In der Rechnungslegung ist es üblich, zunächst ein Discussion Paper zu veröffentlichen. In diesem Paper werden erste Ideen und Konzepte Stakeholdern zur Diskussion zur Verfügung gestellt. Anschließend wird ein Exposure Draft veröffentlicht. Dieser „near-final standard“ ist eine vorläufige Version des finalen Standards. Schließlich erfolgt die Veröffentlichung des finalen Standards. Sollte die EFRAG wie angekündigt Mitte bis Ende Juli 2025 einen Exposure Draft veröffentlichen, so wird es nur noch wenig Spielraum geben, korrigierend auf die Standards einzuwirken. Es ist von entscheidender Bedeutung, sich darüber im Klaren zu sein, inwiefern die Überlegungen von ERFRAG bereits konkrete Formen angenommen haben.
Nachfolgend finden Sie einige Punkte, die uns besonders auffallen:
- In den Diskussionen um Omnibus und die im Sinne einer administrativen Entbürdung notwendigen Vereinfachungen wurde unseres Wissens die DMA so gut wie nie thematisiert. Es scheint, dass sie nicht im Fokus der Vereinfachungsmaßnahmen stand. Nach den Ausführungen im Zwischenbericht scheint sich die Situation geändert zu haben.
- Bei der Überarbeitung hat sich die EFRAG in vielen Punkten den ISSB-Standards, d. h. IFRS S1 und S2, angenähert. Dies zeigt sich an vielen Stellen, insbesondere an einer entscheidenden: Die IFRS Sustainability Disclosure Standards enthalten explizite Erleichterungen („reliefs“) für Unternehmen, wenn die Beschaffung bestimmter Informationen mit unangemessenem Aufwand oder unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre („undue cost or effort“). Dies gilt insbesondere für Daten zur Wertschöpfungskette, vorausschauende Informationen oder sensible Geschäftsinformationen. Nach den vorliegenden Informationen hat die EFRAG diese Erleichterungen in ihre Planung einbezogen, und hat damit Unternehmen Freiheitsgrade bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung eingeräumt, die Anwender der konventionellen International Financial Reporting Standards (IFRS) bereits seit Jahren kennen und praktizieren. Dies dürfte der Anwendung der ESRS zu mehr Akzeptanz verhelfen.
- Es findet sich kein Hinweis auf die Schwellenwerte der Anwendungsverpflichtung der ESRS. Das ist formal auch nachvollziehbar, da EFRAG für die Festlegung der Schwellenwerte, insbesondere des Schwellenwertes für die Mitarbeiterzahl kein Mandat besitzt. Dennoch liegt es auf der Hand, dass EFRAG bei der Abschätzung z.B. der zumutbaren Anzahl von Datenpunkten oder bei der Diskussion der Anforderung an eine konforme DMA zwangsläufig Größendimensionen von Unternehmen mitgedacht hat. Dass sich kein Hinweis auf den außerordentlich wichtigen Schwellenwert der Anzahl der Mitarbeitenden findet, ist misslich, denn der Impact der ESRS steht und fällt mit der Anzahl der betroffenen Unternehmen.
Unsere Empfehlung
Während die Details von den politischen Akteuren noch geklärt werden, empfehlen wir Unternehmen sich ich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der ESRS vorzubereiten (E1 Klima, S1 Mitarbeitende, G1 Unternehmensführung) und in diesen drei Feldern möglichst solide Datenprozesse zu etablieren, die zu verlässlichen Daten führen. In den Lieferketten-Regimes der großen Konzerne und der öffentlichen Hand wird insbesondere der Umgang mit Klimawandel und mit CO2-Emissionen immer stärker forciert. Unternehmen sollten die Zeit nutzen, und sich mit Carbon Reporting auseinandersetzen. Lassen Sie uns sprechen!
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