Bei der Abstimmung vom 29. November 2020 scheiterte die sogenannte «Konzernverantwortungsinitiative» – kurz KVI – trotz Volksmehr am Ständemehr. In der Folge trat der indirekte Gegenvorschlag in Kraft. Aus diesem «KVI-Gegenvorschlag» ergeben sich ab 2023 gewisse Berichts- und Sorgfaltspflichten für Schweizer Unternehmen. Für welche Unternehmen diese gelten, was sie im Kern beinhalten und wie diese Neuerungen bereits jetzt in Angriff genommen werden können, beschäftigt derzeit vieler unserer Kunden. In diesem Artikel zeigen wir, wie wir die Anforderungen des KVI-Gegenvorschlags gemeinsam mit unseren Kunden in der Praxis umsetzen können. Wir zeigen auf, was wir mit unseren Kunden dies in der Praxis angehen.
Grossunternehmen im Visier
Mit dem KVI-Gegenvorschlag tritt für Unternehmen in der Schweiz ab dem Geschäftsjahr 2023 eine nicht- finanzielle Berichterstattungspflicht in Kraft.
Die Unsicherheit über die zukünftigen Anforderungen und den damit verbundenen Aufwand treibt viele Schweizer Unternehmen derzeit um. Doch für welche Unternehmen gelten diese Pflichten wirklich?
- Ein Kriterium, das viele Unternehmen von der nichtfinanziellen Berichterstattungspflicht entbindet, ist die Kapitalmarktorientierung. Grossunternehmen, die weder Aktien noch Anleihensobligationen ausgegeben haben, müssen in der Schweiz auch inskünftig keine Rechenschaft über die nichtfinanziellen Aspekte ihres Geschäftsgebarens ablegen. Eine Ausnahme gilt: handelt es sich um ein Finanzinstitut (Kriterium: FINMA-Beaufsichtigung), ist es – unabhängig von der Kapitalmarktorientierung – berichterstattungspflichtig. Vereinfacht: wer mit fremdem Geld operiert, ist zu mehr Transparenz verpflichtet.
- Der nächste Schnitt erfolgt durch die Unternehmensgrösse. Kleinere und mittlere Unternehmen können getrost zurücklehnen, denn die Schwelle von 500 Mitarbeitenden zeigt: diese neue Gesetzgebung zielt auf grössere Unternehmen. Die finanziellen Grössenkriterien von mindestens CHF 20 Millionen Bilanzsumme oder mindestens CHF 40 Millionen Umsatz sind für solche Unternehmen dann zumeist nicht mehr entscheidend.
- Weiter kann ein grösseres Unternehmen in der Schweiz auf eine nichtfinanzielle Berichterstattung verzichten, wenn es von einem anderen Unternehmen kontrolliert wird, das – entweder in der Schweiz oder im Ausland – die entsprechende Pflicht übernimmt.
2024 gilt es ernst
Die neuen Transparenzregeln gelten erstmals für das Geschäftsjahr 2023. Damit werden ab 2024 die ersten gesetzlich vorgeschriebenen nichtfinanziellen Berichte für das Jahr 2023 fällig. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen verpflichtet werden, über ihren Umgang mit Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung zu berichten, insofern entsprechende Angaben zum Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit auf die oben genannten Belange erforderlich sind.
Wesentlichkeit anstatt Wunschkonzert
Nach Gesetz muss aus dem umfangreichen Universum der Umwelt-, Sozial- und Governance-Belange (ESG) nur über Wesentliches berichtet werden. Was im Kontext eines spezifischen Unternehmens relevant ist, schreibt der Gesetzgeber nicht im Detail vor. Eine opportunistische oder imagegetriebene nichtfinanzielle Berichterstattung ist aber für berichterstattungspflichtige Unternehmen nicht mehr zulässig. Wir empfehlen, an diesem grundlegenden Punkt der Nachhaltigkeitsarbeit und Nachhaltigkeitskommunikation den Aufwand für eine sorgfältige, den aktuellen Anforderungen entsprechende Wesentlichkeitsanalyse nicht zu scheuen – Stichwort «doppelte Materialität» (siehe Kasten).
Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten für die Wesentlichkeitsanalyse können gleich zwei weitere wichtige Bausteine der nichtfinanziellen Berichterstattung erstellt oder überarbeitet werden: Beschreibung des Geschäftsmodells und der Wertschöpfungskette. Im Prozess der Wesentlichkeitsanalyse helfen entsprechende Skizzen, die Aus- und Einwirkungen im Kontext des Unternehmens – und darauf basierend die wesentlichen Themen – zu identifizieren. Für die Berichterstattung sind dann das Geschäftsmodell und der Umgang mit diesen wesentlichen Themen zu erläutern.
Diese Grundlagenarbeit ist aufwändig und sollte zudem mit einer Validierung und Vernehmlassung durch die höchsten Entscheidungsträger abgeschlossen werden, was die Zeitachse weiter verlängert. Die Vorarbeiten für die nichtfinanzielle Berichterstattung zum Geschäftsjahr 2023 sind unter anderem deshalb frühzeitig anzugehen. Aber auch, weil die Vernehmlassung des Berichts die Komplexität und den Aufwand erhöht. So müssen inskünftig der Verwaltungsrat und die Generalversammlung den Bericht genehmigen.
Fazit: Über die Auswirkungen der neuen Transparenzpflichten auf das Geschäftsgebaren der Schweizer Unternehmen kann diskutiert werden. Klar ist: Nachhaltigkeit muss in grösseren Unternehmen mehr Präsenz erhalten.Doppelte Wesentlichkeit
Unternehmen haben durch ihre eigene Geschäftstätigkeit einen Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft. Und auf der anderen Seite wirkt eine grosse Anzahl ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitsthemen auf die Geschäftstätigkeit. Um zu Ergebnissen zu gelangen, werden Aus- und Einwirkungen identifiziert, sortiert, geclustert und beurteilt. Das Resultat wird in der Regel in einer zweidimensionalen Wesentlichkeitsmatrix dargestellt. Anhand dieser erfolgt dann auch die Abgrenzung der wesentlichen Berichterstattung, welche die Grundlage einer Nachhaltigkeitsstrategie bilden sollten.
Rohstoffen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit: Pflicht zur Sorgfalt in der
Unternehmen haben durch ihre eigene Geschäftstätigkeit einen Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft. Und auf der anderen Seite wirkt eine grosse Anzahl ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitsthemen auf die Geschäftstätigkeit. Um zu Ergebnissen zu gelangen, werden Aus- und Einwirkungen identifiziert, sortiert, geclustert und beurteilt. Das Resultat wird in der Regel in einer zweidimensionalen Wesentlichkeitsmatrix dargestellt. Anhand dieser erfolgt dann auch die Abgrenzung der wesentlichen Berichterstattung, welche die Grundlage einer Nachhaltigkeitsstrategie bilden sollten.
Rohstoffen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit: Pflicht zur Sorgfalt in der Wertschöpfungskette
Aus der Umsetzung des KVI-Gegenvorschlags ergeben sich – zusätzlich zu den Transparenzpflichten für grössere Unternehmen – neue gesetzliche Sorgfalts- und Offenlegungspflichten zu Rohstoffen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit. Im Blick haben müssen dies Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden. Die Pflicht der meisten Unternehmen reduziert sich in der Regel darauf, sich zu versichern, dass sich in der eigenen Wertschöpfungskette keine Risiken hinsichtlich Konfliktmineralien und Kinderarbeit finden. Und wenn doch:
- Importiert ein Unternehmen Mineralien oder Metalle[1] aus Konfliktgebieten[2], so sind zusätzliche gesetzliche Bestimmungen einzuhalten (siehe «Zusätzliche gesetzliche Bestimmungen»).
- Bezieht ein Unternehmen Rohstoffe oder Waren aus Ländern, in denen Kinderarbeit nicht ausgeschlossen werden kann, sind zusätzliche gesetzliche Bestimmungen einzuhalten (siehe «Zusätzliche gesetzliche Bestimmungen»).
Zusätzliche gesetzliche Bestimmungen
- Erklärung und Umsetzung des Managementsystems (der Lieferkette) hinsichtlich Konfliktmineralien und Kinderarbeit, inkl. einer Erklärung der Lieferkettenpolitik und eines Systems zur Rückverfolgbarkeit der Lieferkette
- Ermittlung und Bewertung der entstehenden Risiken, inkl. deren Auswirkungen
- Entwurf von Massnahmen und Risikomanagement-Plan zur Begrenzung dieser Risiken
- Bericht über jährliche Einhaltung der Sorgfaltspflichten.
Werden diese Pflichten nicht eingehalten, so können für Unternehmen hohe Kosten (Bussen) entstehen. Die Sorgfaltspflichten sind bereits seit 1. Januar 2022 in Kraft.
Fazit – Frühzeitig mit Vorbereitungen beginnen
Neben bereits bestehenden Gesetzgebungen auf europäischer Ebene, beispielsweise in der Europäischen Union oder Deutschland, steigen nun somit auch hierzulande die Erwartungen an Unternehmen, das Thema Nachhaltigkeit ernster zu nehmen und darüber auch zu berichten. Wir erwarten, dass der Regulierungstrend in Sachen Nachhaltigkeit auch in Zukunft anhalten, oder sogar steigen wird. Somit sind Unternehmen gut beraten, bereits frühzeitig mit den Vorbereitungen der nicht-finanziellen Berichterstattung zu beginnen.
Wie wir Unternehmen mit Blick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterstützen
Die Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative verpflichtet Schweizer Unternehmen zum ersten Mal zur Transparenz über ihre eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten und resultiert in eine verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung. Gerne begleiten wir auch Sie bei diesem Prozess. Wir beraten Unternehmen seit Jahren in strategischen, operativen und kommunikativen Anliegen rund um die Nachhaltigkeit.