„Nachhaltigkeit hat sich rasant von einem Nischenthema zu einer Mainstream Erwartung an gute Geschäftspartnerschaften entwickelt.“
Dr. Bernd Kasemir, Managing Partner Sustainserv GmbH
Welche Tipps können Sie Unternehmen geben, die sich erstmalig mit dem Thema Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeitsreporting auseinandersetzen (müssen)?
Viele Unternehmen, die noch nicht systematisch Nachhaltigkeitsaspekte strategisch berücksichtigt und extern kommuniziert haben, besitzen bereits über die Firma verteilt mehr Daten und haben mehr an Nachhaltigkeitsleistungen vorzuweisen als ihnen selbst bewusst ist. Schliesslich legt jedes gut geführte Unternehmen Wert z.B. auf Motivation und Ausbildung der Belegschaft oder auf den aktiven Dialog mit Stakeholdergruppen wie Kunden, um nur zwei wichtige Nachhaltigkeitsaspekte anzusprechen. Daher lohnt es sich meist, zusammen mit der Bestimmung der fürs Unternehmen wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen (der sogenannten Wesentlichkeitsanalyse) eine Bestandsaufnahme dessen zu machen, was in den verschiedenen Teilen des Unternehmens bereits gemessen und schon getan wird.
Wenn man dann Ist (bereits Geleistetes und Gemessenes) und Soll (wesentliche Themen und regulatorische und Markterwartungen zu diesen) vergleicht, ergibt sich schnell eine praktische Stossrichtung für den Einstieg ins Thema Nachhaltigkeit und CSR. Dabei ist anzuraten, autentisch und verhältnissmässig vorzugehen. Machen Sie keine übertriebenen Aussagen, fangen Sie einfach und kompakt an, um dann mit der Zeit ausbauen zu können. Wenn die Kommunikation der wirklichen Entwicklung im Unternehmen „vorauseilt“ fällt das letztendlich immer auf und schadet im Dialog mit Kunden und anderen stets mehr als es nutzt. Nehmen Sie die Nutzenden der Berichterstattung auf Ihre Reise mit, erklären Sie Ihnen offen und klar wo Sie stehen und was Sie vorhaben – das bewährt sich unserer Erfahrung nach sehr im Auf- und Ausbau der externen Beziehungen.
Was erwarten Sie von der Änderung der CSR-Richtlinie?
Die Entwicklung geht klar Schritt für Schritt in Richtung von mehr Stringenz und inhaltlicher Tiefe. Es kann erwartet werden, dass Nachhaltigkeitsberichte mittel- oder längerfristig prüffähig sein müssen. Vor diesem Hintergrund sollten gemachte Aussagen mit klarer Evidenz hinterlegt werden, also zum Beispiel nicht gesagt werden „Wir sind eines der nachhaltigsten Unternehmen in unserer Branche“ wenn das nicht durch externe Ratings oder belastbare Daten untermauert werden kann. Auch ist davon auszugehen, dass zu Klimarisiken und Klimaschutz mittelfristig substanzieller berichtet werden muss, worauf sich KMUs gerade im Hinblick auf die Datenlage rechtzeitig vorbereiten sollten.
„Nehmen Sie die Nutzenden der Berichterstattung auf Ihre Reise mit.“
Dr. Bernd Kasemir
Welcher Mehraufwand wird auf Unternehmen zukommen, die sich mit der Thematik das erste Mal konfrontiert sehen? Mit welchen Kosten ist hier zu rechnen?
Wie bei jeder unternehmerischen Weiterentwicklung ist es schwer hier Richtwerte zu nennen, das der Aufwand von bereits vorhandenen Informationen und Fähigkeiten in der Organisation abhängt. Um eine grobe Größenordnung zu nennen, haben wir bei einigen „Einsteigern“ zum Thema Nachhaltigkeit gesehen, dass eine aktive Umsetzung die über das defensive Abarbeiten des gesetzlich Notwendigen hinausgeht, im ersten Jahr Aufwände mit sich bringt, die mit den Kosten einer halben bis ganzen Vollzeitstelle vergleichbar sind. Die entsprechenden Arbeitsaufwände können je nach den verfügbaren Ressourcen vor allem intern geleistet oder extern beauftragt werden, wobei sich oft eine Mischform bewährt. In den Folgejahren kann der Aufwand dann je nach Lage des Unternehmens auch wieder sinken.
Welche Berichtsformate sind zu empfehlen?
Das hängt sehr vom Zielpublikum ab, welches zusätzlich zur rein regulatorischen Berichtspflicht angesprochen werden soll. Wenn dies Konsumenten oder kleinere Geschäftskunden betrifft, lohnt sich eine leicht lesbare Aufbereitung mit narrativen Elementen wie Produkt- und Projektbeispielen oder Interviews. Wenn es eher um Zielgruppen geht, die Zahlen und Fakten für Ihre eigenen fachlichen Beurteilungen wie Kreditprüfungen der Sicherstellung der Lieferkettensorgfalt suchen und dies in eigene Bewertungsmodelle einspeisen, sind nüchternere, zum Teil tabellarische Übersichten hilfreich. Oft liegt die passende Lösung in einer Mischung aus beiden. Im Moment sind vom Publikationsformat her PDF-Berichte vermutlich für die meisten Zielgruppen am leichtesten zu nutzen, wobei die Reise schrittweise mehr zu interaktiven Onlineformaten und letztendlich maschinenlesbaren Berichten geht.
Gibt es neben dem Mehraufwand für die Compliance auch Vorteile oder Chancen, von denen Unternehmen durch ihre Nachhaltigkeitsbericht profitieren können?
Nachhaltigkeit hat sich rasant von einem Nischenthema zu einer Mainstream Erwartung an gute Geschäftspartnerschaften entwickelt. Wenn Ihre End- oder Geschäftskunden oder Ihre Kreditgeber nicht bereits Informationen und Leistungen zur Nachhaltigkeit von Ihnen einfordern, können Sie davon ausgehen, dass das sehr bald der Fall sein wird.
Wie bei jeder neuen Anforderung bietet dies Risiken, aber auch Chancen. Wenn Sie sich mit vertretbarem Aufwand und authentischen Inhalten zur Nachhaltigkeit zumindest etwas mehr positionieren, als zum jeweiligen Zeitpunkt regulatorisch vorgeschrieben, können Sie Ihre Reputation und Marktposition damit aktiv stärken.
Das Interview mit Dr. Bernd Kasemir ist Teil des aktuellen Beitrages zum Thema Nachhaltigkeitsreporting, veröffentlicht in MARKETS International (www.marketsinternational.de), das Magazin von Germany Trade & Invest (GTA). Die gesamte Ausgabe von MARKETS International kann hier heruntergeladen werden. Das kostenlose Jahresabo von MARKETS International können sie ebenfalls online bestellen.
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