Die Bestimmung wesentlicher Themen sind der Schlüssel, um die Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG), die ein bestimmtes Unternehmen und seine Stakeholder betreffen, zu benennen. Nicht alle ESG-Themen betreffen jedes Unternehmen, und eine Wesentlichkeitsanalyse ist der Prozess der Identifizierung der relevanten Themen und der Priorisierung, wie wichtig sie für eine Organisation sind. Wesentlichkeitsanalysen, die auch zukünftige Möglichkeiten einbeziehen, werden dabei zu einem immer wichtigeren Instrument der ESG-Bewertung und des Risikomanagements.
Eine neue Dimension in der Wesentlichkeitsanalyse: Zeit
Der Sustainserv-Ansatz zur Wesentlichkeitsanalyse analysiert die Bedeutung von ESG-Themen entlang dreier Dimensionen: Relevanz für das Unternehmen (intern), Relevanz für Stakeholder (extern) und Auswirkungen auf eine nachhaltige Entwicklung. Darüber hinaus verknüpfen wir Strategie und Berichterstattung und stellen die Konnektivität zu wichtigen Berichtsstandards (z. B. GRI, International Integrated Reporting Council [IIRC]) und regulatorischen Anforderungen (z. B. Europäische Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung [EU-Richtlinie 2014/95/EU]) sicher.
Unternehmen, die wissen wollen, welche ESG-Themen für sie am wichtigsten sind, haben die Praxis der Wesentlichkeitsanalyse und regelmässiger Überprüfungen der Ergebnisse übernommen. Oftmals ist der Prozess für viele Unternehmen einfach eine Routineübung, die vor allem als «box-ticking» wahrgenommen wird.
Für Unternehmen, die neugierig, aufgeschlossen und weitergehend an ihrem Umgang mit ESG-Themen interessiert sind und daran, wie sie am besten performen und sich auf die Zukunft vorbereiten können, entsteht eine vierte Dimension der Bewertung: Zeit. Zu berücksichtigen, was derzeit wichtig ist, ist wichtig. Aber zu verstehen, was wichtig sein könnte, ist ein zentrales Element für gutes Risikomanagement, strategische Entscheidungsfindung und Ressourcenallokation. An dieser Stelle wird ein szenariobasierter Ansatz für die Wesentlichkeit zu einem wichtigen Werkzeug.
Bei der Durchführung der szenariobasierten Wesentlichkeitsanalyse betrachten Entscheidungsträher eines Unternehmens eine Reihe plausibler, zukünftiger Umstände (d. h. Szenarien), um zu verstehen, welchen Belastungen sie ausgesetzt sein könnten, welche Entscheidungen sie möglicherweise treffen müssen und wie groß die Bandbreite möglicher zukünftiger Zustände des Unternehmens sein könnte. Oft umfassen diese Szenarien mehrere Zeithorizonte, wie z. B. den kurz- bis mittelfristigen (bis zu 5 Jahre) und den langfristigen (5-10 Jahre). Die Absicht ist zu überlegen, welche Ereignisse eintreten könnten, die sich auf die Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens auswirken und seine ESG-Leistung beeinflussen könnten.
Beispiele für vorhersehbare Szenarien
Die Corona-Pandemie ist ein perfektes Beispiel für ein Szenario, das bei einer szenariobasierten Wesentlichkeitsanalyse auftreten könnte. Unternehmen, die vor drei Jahren eine Pandemie als mögliches Szenario identifiziert haben, waren in diesem Jahr vielleicht besser darauf vorbereitet, Massnahmen zu ergreifen, als sich das Coronavirus als erhebliche Bedrohung herausstellte. Vielleicht waren sie besser in der Lage, sich um die Mitarbeitenden zu kümmern, weil sie bereits einen Vorrat an persönlicher Schutzausrüstung angelegt hatten oder sich vorstellten, wie ein Grossteil ihrer Mitarbeiter schnell zur Arbeit von zu Hause aus wechseln könnte.
Um ein Beispiel für den Klimawandel zu verwenden: Hier kann die Verfügbarkeit von Wasserressourcen einen hohen Stellenwert in einer Wesentlichkeitsanalyse für ein Unternehmen mit intensivem Wasserverbrauch haben. Eine dreidimensionale Wesentlichkeitsbewertung bestätigt u.U., dass das Wassermanagement sowohl für das Unternehmen als auch für die Stakeholder wichtig ist und erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hat. Die Bewertung könnte damit abschließen, wie das Unternehmen derzeit mit seinen Wasserressourcen umgeht. Bei einer szenariobasierten Wesentlichkeitsanalyse würde dieses Unternehmen zusätzliche Zeit damit verbringen, verschiedene Situationen zu betrachten, die potenzielle und wahrscheinliche Bedrohungen für sein Wassermanagement beinhalten: Dürren, Infrastrukturausfälle oder -angriffe sowie externe oder interne Versorgungskontamination.
Kriterien für die Auswahl des Szenarios
Ein Schlüsselfaktor für gute szenariobasierte Wesentlichkeitsbewertungen ist die Auswahl der zu betrachtenden Szenarien. Kriterien für gute Szenarien sind:
- Sie sind plausibel und realistisch.
- Sie sind relevant für die internen und/oder externen Stakeholder des Unternehmens.
- Es besteht eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit, dass die Szenarien in einem relevanten Zeitrahmen eintreten könnten.
Mit einer durchdachten Auswahl solcher Szenarien können Unternehmen dann überlegen, wie sich ihre wesentlichen Themen in Bezug auf Bedeutung, Risiken, Chancen und Auswirkungen jetzt und in Zukunft entwickeln könnten.
Szenariobasierte Wesentlichkeitsanalysen können für mehr Stabilität, Agilität und Widerstandsfähigkeit sorgen
Szenariobasierte Wesentlichkeitsbeurteilungen beinhalten eine höhere Anforderung an Vorstellungskraft und Innovation. Sie sind eine Möglichkeit, innovatives Handeln zu inspirieren: nicht nur das zu tun, was man bisher getan hat, sondern zu erkunden, was passieren könnte. Bei konsequenter Anwendung und mit kreativem Denken kann ein Unternehmen planen und strategisch vorgehen, um Risiken zu reduzieren und sich auf Chancen vorzubereiten.
Für Unternehmen, die ESG-Themen ernst nehmen und Nachhaltigkeit mit ihrem langfristigen Erfolg verknüpft haben, ist eine szenariobasierte Wesentlichkeitsanalyse eine Möglichkeit, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was die Zukunft bringen könnte. Für Wachstum, Rentabilität und Resilienz ist dieses tiefere Eintauchen in die Wesentlichkeit ein höchst effektives Mittel, um Stabilität, Agilität und Widerstandsfähigkeit zu erreichen.