Was Innovation und Nachhaltigkeit miteinander zu tun haben. Und wie man das kommuniziert kriegt.

Es ist ein klassisches Stimmungsbild, das für die Geschäftsberichterstattung der Swiss Prime Site Gruppe gewählt wurde: Ein Paar blickt auf einer Bank sitzend von der Zürcher Waid auf die Stadt, der Prime Tower dominiert den urbanen Westen Zürichs. Auf 200 Seiten folgen sodann viele Zahlen, Grafiken und Interviews, auch ist die Rede von Geschäftserfolgen, Governance und Innovation. Und natürlich von Nachhaltigkeit, dem Zauberwort der Stunde. Beteiligt an dieser Publikation war unter anderem Urs Baumann, Leiter Nachhaltigkeit und Innovation bei Swiss Prime Site und verantwortlich für den Bereich Immobilienprojektentwicklung. Unterstützt wurde er dabei von Stephan Lienin, Partner des Beratungsunternehmens Sustainserv, und Keila Gromann von der Agentur Therefore. Genau diese drei Personen haben wir nun auf die Waid gebeten. Sie haben auf derselben Parkbank wie die Models im Geschäftsbericht Platz genommen und sich angeregt über Innovation, Nachhaltigkeit und Kommunikation unterhalten. Das Interview führte Thomas Gromann.

Wenn man die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte von Swiss Prime Site durchblättert, liest man: Die sind erfolgreich, nachhaltig, innovativ. Echt jetzt, Urs Baumann? Die drei Adjektive als Unternehmenspendant zu «jung, dynamisch und erfolgreich»? Behauptet das heute nicht jeder von sich?

Urs Baumann (UB) (lacht): Was andere von sich behaupten, kann ich schwer beurteilen. Mir ist wichtig, dass wir selbst komfortabel mit unseren eignen Aussagen sind. Finanziell erfolgreich sind wir, das belegen die Finanzkennzahlen. Unsere Nachhaltigkeit belegen wir bis ins kleinste Detail auf über 100 Seiten Nachhaltigkeitsbericht. Und Innovation ist Teil unserer DNA und damit auch in der Nachhaltigkeitsstrategie verankert.

Dass du bei Swiss Prime Site nicht nur Leiter Innovation und Nachhaltigkeit bist, sondern auch den Bereich Development leitest …

UB: … bedeutet keinesfalls, dass die Aufgaben nur im Nebenamt wahrgenommen werden. Im Gegenteil, unsere Entwicklungsprojekte bieten die besten Voraussetzungen zur Umsetzung unserer Nachhaltigkeitsstrategie und sie sind Ausdruck unseres Willens zur stetigen Innovation. Die Kombination dieser Disziplinen ist eine gewaltige Chance und ein starkes Argument, wenn es darum geht, für die Zukunft gewappnet zu sein.

Stephan Lienin, du begleitest Swiss Prime Site bei den Themen Nachhaltigkeit und Innovation. Was ist deine Rolle dabei?

Stephan Lienin (SL): Wir begleiten Urs Baumann und sein Team bei der Weiterentwicklung eines nachhaltigen Ge-schäftsmodells in mehrfacher Hinsicht. Wie man mit Innovation Wert schafft, dies ins Nachhaltigkeitsmanagement integriert und darüber berichtet.

Kann man in kurzen, möglichst konkreten Worten beschreiben, was «Wert schaffen» für Swiss Prime Site konkret bedeutet?

UB: Wenn wir eine Projektentwicklung angehen, dann müssen wir bereits in den ersten Studien berücksichtigen, dass die Investition für einige Jahrzehnte ausgelegt ist und die betrieblichen Themen ebenfalls zu beachten sind. Dabei geht es mir jetzt weniger um die Gebäudetechnik und dergleichen, sondern um ganz grundlegende Fragen. Wir versuchen zu antizipieren, wie sich die Stadt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Gesellschaft etc. wandeln werden. Wir fragen uns, welchen Ansprüchen unsere Immobilien in Zukunft gerecht werden müssen und wie wir durch eine nachhaltige Planung auch mittel- und langfristig Werte schaffen und erhalten können.

SL: Nachhaltigkeit und Innovation ergänzen sich, weil sie gleichermassen von langfristigen Megatrends betroffen sind und man szenarienbasiert durchaus gewisse Aussagen für die Zukunft treffen kann. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Klimawandel.

Also Klimaanlagen einbauen, um dem Klimawandel Rechnung zu tragen?

UB: Das ist zu kurzfristig gedacht. Zunächst setzt der Klimawandel die Politik enorm unter Druck und die Rahmenbedingungen ändern sich unglaublich schnell. Interessanterweise erleben wir diese Dynamik insbesondere in den Metropolen und nicht unbedingt auf Länderebene. Städte wie New York, Kopenhagen oder auch Wien sind heute die Treiber, wenn es um nachhaltige Planung geht. Investoren und Entwickler müssen vorbereitet sein, wenn Städte Klimabudgets einführen und die Spielregeln relativ kurzfristig verändern werden.

SL: In einem gemeinsamen Workshop mit Swiss Prime Site haben wir uns konkret mit einem Klimaszenario Zürich im Jahr 2041 auseinandergesetzt. Da ist es nicht nur wärmer, sondern zahlreiche durch den Klimawandel hervorgerufene gesellschaftliche Trends haben das Umfeld stark verändert. Beteiligte aus den verschiedenen Geschäftsbereichen haben darüber nachgedacht, welche Infrastruktur und Dienstleistungen in einem solchen Szenario erfolgreich sein werden. Dabei muss man Systeme völlig neu denken.

«Es geht darum aufzuzeigen, welchen Wert eine Unternehmung für sich und die Gesellschaft schafft.»

Was heisst das?

SL: Ein Beispiel: Wenn wir von einer weiteren Klimaerwärmung ausgehen, werden wir 2041 in Zürich möglicherweise Sommer erleben, die mit den heutigen Wetterbedingungen in Städten wie Singapur vergleichbar sind. Mit unserem normierten Denken würden wir die Räume mit grossem Aufwand auf bewährte 22 Grad herunterkühlen. Führende Planer in Singapur hingegen wählen Ansätze, wie man auch mit wärmerer, aber bewegter Luft ein angenehmes Wohnen und Arbeiten ermöglicht.

Tönt für mich nach Umluft-Backofen…

UB: Es gibt nicht nur eine Lösung und insbesondere braucht es viele einzelne Massnahmen, die insgesamt zu einer Verbesserung führen. Fakt ist, dass immer noch viele Planer so bauen, wie es grösstenteils heute noch an den Hochschulen vermittelt wird: Möglichst viel Wärme im Innern behalten, möglichst viel Licht hereinlassen – nicht zuletzt auch den zahlreichen, teils definitiv überholten Gebäudelabels folgend. Doch seit 2003, also seit über 15 Jahren, haben wir hier ganz andere Sommer. Viel länger, viel heisser. Es geht also darum, das Temperaturmanagement neu anzugehen, wollen wir nicht überall energetisch fragliche Klimaanlagen nachrüsten müssen. Und ein anderes, für unsere Breitengrade noch weitgehend wenig beachtetes Thema, ist das Wassermanagement. Im Sommer zu wenig, bei Starkregen zu viel. Und wie es mit der Qualität in 15 Jahren aussieht, weiss auch noch keiner.

Doch seit 2003, also seit über 15 Jahren, haben wir hier ganz andere Sommer. Viel länger, viel heisser. Es geht also darum, das Temperaturmanagement neu anzugehen, wollen wir nicht überall energetisch fragliche Klimaanlagen nachrüsten müssen. Und ein anderes, für unsere Breitengrade noch weitgehend wenig beachtetes Thema, ist das Wassermanagement. Im Sommer zu wenig, bei Starkregen zu viel. Und wie es mit der Qualität in 15 Jahren aussieht, weiss auch noch keiner.

Dann bedeuten Innovation und Nachhaltigkeit also das Ausrichten auf den Klimawandel?

UB: Nein, das ist nur ein Aspekt aus einer langen Liste von vielen Trends, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Unser nächster Innovationsworkshop greift derweil das Thema Wertewandel auf. Generell gilt jedoch: Die UNO hat die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung definiert, daran orientieren auch wir uns. Von den 17 Sustainable Development Goals (SDG) steht für uns das elfte Ziel, bei dem es um nachhaltige Städte und Gemeinden geht, im Vordergrund. Wir greifen damit die wesentlichen Fragestellungen auf, die sich in Bezug auf unser Geschäftsmodell ergeben, und wie wir unsere Tätigkeiten und den entsprechenden Impact zu Gunsten einer nachhaltigen Entwicklung ausrichten können

Und die Innovation auf der technischen Seite?

UB: Es gibt sehr viel, was wir bereits mit dem heutigen Stand der Technik erreichen können. Eine Abteilung unserer Tochtergesellschaft Wincasa kümmert sich in unserem Auftrag darum, unser gesamtes Immobilienportfolio mit Hilfe diverser Parameter zu erfassen und zu überwachen. Dadurch finden sich die Möglichkeiten, um liegenschaftsspezifisch zu reagieren und Heizungen zu ersetzen, Fassadenerneuerungen vorzunehmen, Photovoltaikanlagen zu installieren oder den Strombedarf nachhaltig aus Wasserkraft zu beziehen. Um auf den Ausgangspunkt unserer Diskussion zurückzukommen: Hier sind wir nachhaltig und erfolgreich. Denn die meisten dieser Massnahmen rechnen sich schon innerhalb kürzester Zeit, senken unsere Kosten, steigern den Gewinn und schonen die Umwelt.

SL: Dies so konsequent anzugehen, ist ein wichtiger Schritt, der zur Verlangsamung des CO2-Anstiegs beiträgt und den noch längst nicht alle Unternehmen oder Immobilienbesitzer machen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass sich der globale Energiebedarf bis 2050 verdoppeln wird und wir im gleichen Zeitraum den CO2-Ausstoss auf Netto-Null senken müssen, dann müssen wir bald schon Systeme neu denken. Zum Beispiel vernetzte Systeme in der Stadt, die Gebäude, Energie und Mobilität miteinander verknüpfen und dem Nutzer mehr Lebensqualität bringen. Da braucht es Gamechanger.

Gamechanger, Disruptionen. Wir sind bei weiteren Schlagwörtern gelandet und damit vielleicht auch bei der Kommunikation. Die Geschäftsberichterstattung der Swiss Prime Site 2017 und 2018 wurde von Keila Gromann als Gesamtprojektleiterin bei Therefore umgesetzt.

Keila, du hast bis jetzt schweigend zugehört und öfter genickt. Wie bringt man so viele Informationen und eine noch nebulöse Zukunft glaubhaft an den Leser?

Keila Gromann (KG): Genickt habe ich, weil wir uns bei Therefore lange Zeit genau mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben. Und um die Frage zu beantworten: Mit konkreten Zahlen.

Innovation und Nachhaltigkeit in Zahlen?

KG: Ja. Swiss Prime Site hat nicht nur eine finanzielle Berichterstattung nach Swiss GAAP FER. Der Nachhaltigkeitsbericht 2017 weist bereits viele Elemente einer integrierten Berichterstattung auf. Schon heute werden nach dem Wertschöpfungsmodell die sechs Kapitalien soweit möglich quantifiziert und ausgewiesen, die strategischen Roadmaps richten sich ebenfalls danach.

Und was genau hatte die Kommunikationsagentur damit zu tun?

KG: Sehr viel! Es gibt den einen Teil im Bericht, in dem mit Zahlen in Tabellen bis ins Detail nachgewiesen wird, was mit welchen Resultaten getan wird. Doch dann kommt die eigentliche Arbeit, unsere Aufgabe: Die strategischen Resultate schnell erfassbar machen und die Glaubwürdigkeit stärken. Die Zusammenarbeit mit Swiss Prime Site und Sustainserv war für uns also sehr intensiv.

SL: Immer mehr Investoren wollen heute wissen, wie ein Unternehmen langfristig Wert schafft. Finanzerfolg, aber auch Mehrwert für Kunden, Mitarbeitende, Umwelt. Gerade die Berichterstattung muss immer mehr aufzeigen, wie man die Zukunft gestalten will.

KG: Deshalb haben wir auf der Firmenwebsite, in den E-Mail-Newslettern, den sozialen Medien und schliesslich im Geschäftsbericht über die vielen kleinen Schritte auf dem Weg zum Ziel berichtet. Mit ausgewählten Interviewpartnern aus der Unternehmung aber beispielsweise auch mit den Gründungspartnern eines mit Swiss Prime Site kooperierenden Start-ups konnten wir aufzeigen, wie die konkrete Umsetzung einzelner Projekte zum Gesamterfolg beiträgt.

Start-ups sollen also für Innovation und Disruption sorgen?

UB: Durch ein systematisches Innovationsmanagement haben wir viele Bereiche identifiziert, in denen wir nach Innovationen Ausschau halten. Bei den etablierten Anbietern aber natürlich auch bei den Start-ups. Immer wieder können wir solche Partner in ganz konkrete Projekte einbinden und als erste Kunden die Idee weiterentwickeln, oder gar in die Idee investieren. Das ist kein Selbstzweck, sondern eine weitere Massnahme, um technologisch und wirtschaftlich an der Spitze zu bleiben.

Zur Geschäftsberichterstattung: Wie sieht diese in Zukunft aus? Wie wird ein Unternehmen zeigen können, dass es wirklich nachhaltig erfolgreich unterwegs ist?

SL: Die Zukunft ist integriert. Das Unternehmen zeigt, wie sein Geschäftsmodell aussieht, welche Res-sourcen es dazu braucht, welche Werte es schafft und welchen Impact es leistet. Und wie es die Zukunft sieht, welche Herausforderungen es erwartet und wie es diese zu meistern gedenkt.

UB: Das heisst, wir reden nicht nur über Nachhaltigkeit, sondern setzen auch konkrete Ziele, dokumentieren die Umsetzung, messen die Resultate und kommunizieren unsere Roadmap verbindlich

KG: Aus Kommunikationssicht ist es sinnvoll, nicht einmal oder zweimal im Jahr zu kommunizieren, sondern laufend. Die Halbjahres- und Jahresberichte sind dann nur noch Konsolidierungen. Die Zukunft liegt darin, die Informationen erfassbar zu machen, zu vernetzen. Und auch deshalb ist die Zukunft der Berichterstattung online, digital und omnichannel.

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch. Zum Schluss: Auf welche Frage haben wir aus eurer Sicht vergessen einzugehen?

UB: Diejenige nach den «Nebennutzen ». Durch unsere Innovations- und Nachhaltigkeitsprojekte sprechen wir qualifizierte und engagierte Arbeitnehmende besonders an. Den Leistungsträgern von heute und morgen ist es zusehends wichtig, ob ihr heutiger oder künftiger Arbeitgeber seine Verantwortung bewusst wahrnimmt. Die jüngeren Generationen sind entsprechend anspruchsvoll gegenüber ihrem gesamten Umfeld. Wir sollten daher sehr bemüht sein, den Dialog kontinuierlich, ernsthaft und glaubhaft zu führen und damit im «War for talents» unseren Mitbewerbern einen Schritt voraus zu sein. Auch hier: Ich beziehe das nicht nur auf unsere Unternehmung, sondern auch auf unsere Städte, die diesbezüglich zu den Metropolen in Europa und der Welt in Konkurrenz stehen.

KG: Eine spannende Frage ist sicher die nach den Kanälen und Medien, mit denen man die Zielgruppen auch in Zukunft noch erreichen kann. Klassisch Print und die Website online sind zwar momentan noch OK. Aber ob die gesamte Information an einem Ort und in dieser Form in 5 Jahren noch funktioniert?

SL: Mich interessiert im Moment die Herausforderung eines integrierten Managements: Kommunikation nach aussen und Handeln nach innen müssen strategisch und operativ immer besser aufeinander abgestimmt werden. Wir werden um ein weiteres Interview nicht herumkommen…

Portrait

Keila Gromann leitet die Bratung bei Therefore. Die Spezialistin für integrierte Kampagnen hat schon die unterschiedlichsten Unternehmen begleitet bei der Erarbeitung des Geschäftsberichts.

Urs Baumann ist Leiter Nachhaltigkeit und Innovation bei Swiss Prime Site und verantwortlich für den Bereich Immobilienprojektentwicklung.

Stephan Lienin gehört zu den Gründungspartnern von Sustainserv und arbeitet in deren Büros in Zürich und Boston. Nach seinem PhD in Naturwissenschaften an der ETH Zürich analysierte Stephan Lienin zuerst Energie- und Mobilitätssysteme am renommierten Paul Scherrer Institut.

Hinter der Geschichte

Die Bilder in diesem Interview wurden fast genauso schon einmal veröffentlicht: Im Geschäftsbericht 2018 von Swiss Prime Site, der von Therefore in Zusammenarbeit mit den Interviewpartnern Urs Baumann und Stephan Lienin entstanden ist. Für unser Portfolio haben wir versucht, mit ihnen die Sujets nachzustellen – und die Geschichte weiterzuspinnen.

Der Anfang dazu findet sich bereits im Geschäftsbericht von Swiss Prime Site: Das börsenkotierte Unternehmen setzt auf nachhaltige Kommunikation und zeigt nicht nur Zahlen, sondern erzählt auch die Geschichten dahinter. Geschichten, die Analysten, Proxy Advisern und Aktionären ein noch umfassenderes Bild der Geschäftstätigkeit vermitteln.

Der Originaltext erschien auf therefore.


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