Sibylle Umiker, Senior Consultant bei Sustainserv und zusammen mit dem Team verantwortlich für mehr als 20 Nachhaltigkeitsberichte, geht im Interview auf die aktuelle Berichtssaison ein, erklärt die grösste Herausforderung und bringt ihren Wunsch an, für künftige Berichte.
Sustainserv hat alleine zwischen Januar und März zwei Dutzend Nachhaltigkeitsberichte begleitet. Sag ehrlich, wie intensiv war es?
Diese Zeit wird jedes Jahr intensiver. Durch die Zusammenlegung von Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten gibt es immer weniger antizyklische Nachhaltigkeitsberichte. Zudem hält der Trend an, dass die Ergebnispublikation immer früher erfolgen soll.
Bringt dies Vorteile?
Die Zeitspanne, in welcher die Organisation durch den Berichterstattungsprozess belastet wird, verkürzt sich dadurch. Das ist ein Vorteil. Allerdings sehe ich persönlich die Qualität und Aussagekraft der Berichte in Gefahr. Konkret bleibt immer weniger Zeit, um die Daten für das abgelaufene Jahr zu erheben, zu validieren und dann schliesslich zu kommentieren.
Im Vergleich zu den Berichten vor einem Jahr: Was hat sich verändert? Welche neue Herausforderung gab es bei fast allen zu meistern?
Diese Saison war bei zahlreichen Berichten aufwändiger als in anderen Jahren. Hauptgründe dafür sind einerseits die neuen GRI Standards 2021 und andererseits die sich verändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen. Wir hatten vielen Unternehmen empfohlen, die Umstellung der Berichterstattung auf die neuen GRI Standards zu nutzen, um die zugrunde liegende Wesentlichkeitsanalyse zu aktualisieren und auf die doppelte Wesentlichkeit umzustellen. Wer diese Arbeit auf sich genommen hat, hat nun eine Grundlage, die GRI- und gesetzeskonform ist. Dies wird den Berichterstattungsprozess in den nächsten Jahren entlasten.
GRI Standards 2021
Um der wachsenden Nachfrage der Stakeholder nach Transparenz gerecht zu werden, hat GRI die Universellen Standards 2021 überarbeitet. Die Änderungen betreffen hauptsächlich die Integration von Menschenrechten, die Methode zur Beurteilung der Wesentlichkeit und die Berücksichtigung wachsender regulatorischer Anforderungen. Organisationen, die eine Berichterstattung in Übereinstimmung mit den GRI-Standards anstreben, müssen ab dem 1. Januar 2023 ihre Berichte nach den neuen GRI-Standards 2021 auszurichten.
Sustainserv ist ein zertifizierter Schulungspartner der Global Reporting Initiative in der Schweiz und bietet auch 2023 wieder zweitägige GRI-Zertifikatskurse an. Die Schulungsinformationen sind hier einzusehen.
Waren die Unternehmen bereit für diese neuen Anforderungen?
Alle unsere Kunden konnten dieses Jahr einen Bericht publizieren, der auf «doppelt wesentlichen» Themen basiert. Je nach verfügbaren Ressourcen wurde die Aktualisierung der Wesentlichkeit in dieser Saison etwas umfassender oder kompakter gestaltet. Entsprechend wird es uns diesen Sommer auch nicht langweilig. Es gibt einige Unternehmen, die sich – auf der schlanken Grundlage des abgeschlossenen Berichterstattungsprozesses – neue Möglichkeiten sehen, um die Anspruchsgruppen noch stärker und zielgruppengerechter einzubeziehen und sich um die Arbeit an den Managementansätzen kümmern möchten.
Was möchtest du den Unternehmen mitgeben im Hinblick auf die nächste Berichterstattungsperiode? Was könnten sie jetzt bereits anpacken, um nächstes Jahr noch besser vorbereitet zu sein?
Es ist zentral, dass ein Unternehmen die Funktion und die Möglichkeiten der Nachhaltigkeits-berichterstattung reflektiert. Ein Nachhaltigkeitsbericht kann nur so gut sein wie die zugrunde liegende Nachhaltigkeitsarbeit. Nicht wenige Unternehmen haben im diesjährigen Berichterstattungsprozess gemerkt, dass sie die Erwartungen der Global Reporting Initiative an die Managementansätze teilweise nicht beantworten können. Dazu zählen beispielsweise, welche Policies und Prozesse sie zu einem wesentlichen Thema implementiert haben. Das hat den Berichterstattungsprozess nach GRI natürlich erschwert. Ich empfehle dies als Warnsignal zu betrachten. Diese Unternehmen müssen sich hinsetzen und eingehend prüfen, ob sie die gesetzlichen Vorgaben an die nicht-finanzielle Berichterstattung und an die Sorgfaltspflichten erfüllen können. Die nächsten Monate sollten deshalb genutzt werden, um einen konkreten Vorgehensplan zu entwickeln, wie mit relevanten Lücken im Umgang mit wesentlichen Themen umgegangen wird.