Die EU-Richtlinie zum nichtfinanziellen Reporting muss bis Ende 2016 in deutsches Recht umgesetzt werden. Sie soll Investoren, Geschäftskunden und Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Transparenz und bessere Entscheidungsgrundlagen bieten. Dazu gibt sie Themenkreise vor, die in der Berichterstattung berücksichtigt werden müssen, lässt aber Flexibilität bei den Details zu. Defensiv betrachtet schafft dies neue Verpflichtungen für Unternehmen und ihre Aufsichtsräte, denen nachzukommen ist und auf die man sich frühzeitig vorbereiten sollte. Offensiv gesehen ergeben sich dabei aber auch neue Optionen, wie der Aufsichtsrat auf die Berichterstattung und damit auch auf die Reputation des Unternehmens Einfluss nehmen kann.
I. EU-Entwicklungen als Basis für die deutsche Gesetzesreform
Die EU hat am 22.10.2014 die sog. CSR-Richtlinie (Corporate Social Responsibility-Richtlinie) verabschiedet.1 Diese Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates betrifft die Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte Unterneh men und Gruppen. Schon die frühere Richtlinie (Bilanzrichtlinie), auf die Bezug genommen wird, verpflichtet Unternehmen, in ihren Lage- oder Konzernlageberichten unter anderem Informationen zu finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren anzugeben. Dabei sollte die nichtfinanzielle Berichterstattung (genannt wurden z.B. umwelt- oder arbeitneh- merrelevante Informationen) «angemessen» sein. Die Änderungsrichtlinie 2014/95/EU beinhaltet hierzu zusätzliche klärende Anforderungen, was damit gemeint ist.
Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Inhalte dieser Richtlinie bis spätestens 6.12.2016 in nationales Recht umsetzen. Um dieses Ziel in Deutschland zu erreichen, hat die Bundesregierung (nach dem Referentenentwurf vom 11.3.2016) am 21.9.2016 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der umfassende Modifikationen am Handelsgesetzbuch (HGB) zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten enthält.2 Hierzu regelt § 289b Abs. 1 HGB-E zunächst, wer von der Berichtspflicht betroffen ist: Kapitalgesellschaften, die nach § 267 Abs. 3 S. 1 HGB groß (d.h. die relevanten Größenkriterien überschreiten) und zugleich kapitalmarktorientiert i.S.d. § 264d HGB sind, sofern sie außerdem im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen.3 Auch Gesellschaften i.S.v. § 264a HGB (d.h. haftungsbeschränkte Personen- handelsgesellschaften wie bspw. die GmbH & Co. KG) fallen bei Erfüllung der genannten Voraussetzungen unter die Berichtspflicht. Nach § 340a HGB-E sowie § 341a HGB-E sollen zudem Kreditinstitute bzw. Versicherungsunternehmen von der Berichtspflicht erfasst werden; auf die SE sind die Vorschriften entsprechend anzuwenden. D.h. im Wesentlichen, dass grössere börsennotierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen mit über 500 Mitarbeitern sowie grössere offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften unter diesen Voraussetzungen betroffen sind. Bestimmte Ausnahmen von der Berichtspflicht bestehen für Unternehmen, die in eine entsprechende Berichterstattung auf Konzernebene einbezogen werden.4
II. Geplante Regelungen in Deutschland
1. Was sind Ziele des deutschen Umsetzungsgesetzes?
Der Regierungsentwurf zum deutschen Umsetzungsgesetz zur CSR- Richtlinie (im Folgenden auch: RegE zur Umsetzung der CSR- Richtlinie)5 geht davon aus, dass Investoren, große Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher mehr und besser über die Geschäftstätigkeit von Unternehmen informiert sein wollen, «um zu entscheiden, ob sie investieren, Lieferbeziehungen eingehen oder Produkte erwerben und nutzen»6 wollen. Eine tiefere und breitete Berichterstattung wird also hier als eine Grundlage für erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit gesehen. Dies macht auch verständlich, warum der Entwurf zur deutschen Umsetzung der EU -Richtlinie, der sonst in fast allen Aspekten sehr nah an den EU-Vorgaben ist, die Berichtspflichten um den Aspekt der Verbraucherbelange ausweitet.7
2. Welche inhaltlichen Anforderungen werden gemacht?
Der Entwurf des deutschen Umsetzungsgesetzes sieht vor, dass Kapitalgesellschaften, welche die oben genannten Anforderungen erfüllen, ihren Lagebericht um eine nichtfinan zielle Erklärung zu erweitern haben. In dieser ist das Geschäftsmodell der Kapitalgesellschaft kurz zu beschreiben und es ist auf Umweltbelange, Arbeitnehmerbelange, Sozialbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung der Korruption und Bestechung einzugehen. Zu jedem dieser vorgegebenen Themenkreise werden konkrete Inhalte genannt, auf die sich die nichtfinanzielle Erklärung — beispielsweise 8 — beziehen kann. Im Hinblick auf die Belange der Umwelt sind dies Angaben zu Treibhausgasemissionen, zum Wasserverbrauch, zur Luftverschmutzung, zur Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien oder zum Schutz der biologischen Vielfalt.
Zu den oben genannten Themenkreisen sind in der nichtfinanziellen Erklärung jeweils diejenigen Angaben zu machen, «die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit»9 für die oben genannten Themenkreise erforderlich sind einschließlich einer Beschreibung der verfolgten Konzepte und der angewandten Due-DiIigence-Prozesse, der Ergebnisse dieser Konzepte, der wesentlichen Risiken aus der eigenen Geschäftstätigkeit sowie der Risiken, die mit den Geschäftsbeziehungen der Kapitalgesellschaft, ihren Produkten und Dienstleistungen verknüpft sind, der bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren und – wiederum «soweit es für das Verständnis erforderlich ist»10 – Hinweise auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge und zusätzliche Erklärungen dazu.
Interessant ist hier der comply or explain-Ansatz. Wenn die Kapitalgesellschaft zu den oben genannten Bereichen kein Konzept verfolgt, hat sie dies in der nichtfinanziellen Erklärung klar und begründet zu erläutern.
3. Was wird hinsichtlich Veröffentlichung und Prüfung verlangt?
Die nichtfinanzielle Erklärung kann einen besonderen Abschnitt des Lageberichts bilden. Unternehmen wird die Möglichkeit gegeben, alternativ zur Erweiterung des Lageberichts für dasselbe Geschäftsjahr einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu erstellen, wenn dieser die gleichen inhaltlichen Vorgaben erfüllt und zusammen mit dem Lagebericht öffentlich zugänglich gemacht oder spätestens sechs Monate nach dem Abschlussstichtag und mindestens für zehn Jahre auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht wird.
Der Abschlussprüfer hat zu prüfen, ob die nichtfinanzielle Erklärung oder der gesonderte nichtfinanzielle Bericht vorgelegt wurde. Eine inhaltliche Prüfung wird dabei nicht verlangt.11 Falls aber eine inhaltliche Prüfung vorgenommen wird, ist das Prüfungsurteil in gleicher Weise wie die nichtfinanzielle Erklärung oder der gesonderte nichtfinanzielle Bericht öffentlich zugänglich zu machen.
4. Wie verhält sich dies zu anderen Entwicklungen zur Berichterstattung?
Die oben hervorgehobenen Formulierungen «beispielsweise» und «die für das Verständnis… erforderlich sind» zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit aktuellen internationalen Ansätzen im Nachhaltigkeitsreporting, wo sich immer mehr durchsetzt, dass nicht einfach ein starrer Inhaltskatalog durchgearbeitet wird. Stattdessen sollen nach Standards wie der Global Reporting Initiative (GRI) berichtende Unternehmen ermitteln, welche Detailthemen für sie und für ihre Anspruchsgruppen «materiell» oder wesentlich sind und ihre Berichterstattung darauf ausrichten. Die Anforderung der Darstellung des Geschäftsmodells ist kompatibel mit breiteren Entwicklungen zur unternehmerischen Berichterstattung, z.B. mit dem vom International Integrated Reporting Council (IIRC) entwickelten Framework des Integrated Reporting. Dort soll die Notwendigkeit einer Beschreibung des Geschäftsmodells im Bericht sicherstellen, dass finanzielle und extra-finanzielle Information im Kontext und im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Fähigkeit der Unternehmung, für Aktionäre, Kunden und andere einen Wert zu schaffen, verstanden werden können.
Insgesamt ist die Erweiterung der (Konzern-)Lageberichterstattung um die gesonderte nichtfinanzielle Erklärung bei bestimmten Unternehmen in den Kontext des in den letzten Jahren zu konstatierenden dynamischen Wandels der Rechnungslegung und Berichterstattung allgemein einzuordnen.12 Dabei spielten immer wieder auch Aspekte der Modernisierung eine Rolle. Vor diesem Hintergrund ist auch die Einführung nichtfinanziellen Berichterstattung als eine Reflexion der Anforderungen von Stakeholdern zu sehen: Es wir immer mehr Wert auf Themen gelegt, die gerade über die «blossen» Zahlen und die nüchterne Erklärung von Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung hinausgehen.
III. Welche Verantwortung ergibt sich für den Aufsichtsrat?
Wie einleitend gesagt wurde, geht der RegE zur Umsetzung der CSR-Richtlinie der EU davon aus, dass die entsprechenden publizierten Informationen eine Entscheidungsgrundlage für Investoren, Geschäftskunden und Verbraucherinnen und Verbraucher im Hinblick auf das berichtende Unternehmen darstellen. Zu dieser wirtschaftlichen Bedeutung der nicht-finanziellen Informationen passt, dass der Aufsichtsrat im Hinblick auf diese Berichtsverpflichtungen durch die vorgesehene Ergänzung in § 171 (1) AktG-E in die Verantwortung genommen wird.
Gemäss dem Entwurf des deutschen Umsetzungsgesetzes hat der Aufsichtsrat auch den gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht zu prüfen, sofern sie pflichtgemäss erstellt wurden. Damit werden die Verbindlichkeit und die Bedeutung dieses neuen Berichtselements erheblich aufgewertet.
Die Bedeutung der Berichtspflicht und damit die Wichtigkeit der Prüffunktion des Aufsichtsrats erschliesst sich auch durch den Umfang der Straf- und Bussgeldvorschriften im Falle von Nichteinhaltung der Anforderungen. Sowohl § 331 HGB (Unrichtige Darstellung) und § 334 HGB (Bussgeldvorschriften) wird um eine Bezugnahme auf die nichtfinanzielle Erklärung in der einzelgesellschaftlichen Rechnungslegung bzw. der Konzernrechnungslegung ergänzt, sodass diese Berichterstattung ebenfalls von den Sanktionsvorschriften des HGB erfasst wird. Gleichzeitig soll mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz der Bussgeldrahmen in § 334 Abs. 3 HGB-E für kapitalmarktorientierte Unternehmen erhöht werden. Für diese sollen bei Verstössen gegen inhaltliche Vorschriften zur Aufstellung des (Konzern-) Abschlusses bzw. (Konzern-)Lageberichts – und dazu gehört auch die nichtfinanzielle Berichterstattung – künftig vergleichbare Sanktionen drohen wie bei Verstössen im Bereich der Offenlegung.13 Die Geldbusse beträgt höchstens den höheren dieser beiden Beträge 2 Mio € oder das Zweifache des aus der Ordnungswidrigkeit generierten wirtschaftlichen Vorteils. Bei einer Geldbusse gemäss § 30 OWiG können die Beträge noch deutlich höher liegen (max. 10 Mio. €).
Im Zuge seiner Prüfung hat der Aufsichtsrat nicht nur die Vollständigkeit und Richtigkeit der Berichterstattung zu untersuchen und im Gesamtkontext der Geschäftstätigkeit des Unternehmens oder Konzerns zu würdigen. Er kann und sollte sich vielmehr während des gesamten Geschäftsjahrs in diese immer wichtiger werdenden nichtfinanziellen Aspekte und deren Ausgestaltung einbringen. Ein regelmässiger Austausch mit der Unternehmensleitung – bspw. über die anzuwendenden Konzepte – ist zu empfehlen.
Sofern das nichtfinanzielle Reporting nicht nur als reine Pflichterfüllung abgearbeitet, sondern als ein Instrument zur positiven Unternehmensdarstellung genutzt wird, 14 kann sich hieraus ein wertvoller Bestandteil für die Präsentation eines Unternehmens und damit seine öffentliche Wahrnehmung ergeben. Dieses Hilfsmittel sollte zielführend eingesetzt werden. Durch eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema kann der Aufsichtsrat somit Einfluss auf die qualitative Unternehmensberichterstattung und damit auch auf die Reputation des Unternehmens nehmen.
IV. Fazit
Die CSR-Richtlinie der EU und ihre geplante Umsetzung in Deutschland sind eine konsequente Fortsetzung anderer regulatorischer Entwicklungen und freiwilliger Initiativen am Markt. Dabei geht es insgesamt darum, Aktionären und weiteren Anspruchsgruppen umfassendere Informationen zu geben, um ein Unternehmen beurteilen und sich für die oder gegen ein Engagement mit diesem entscheiden zu können. Der Aufsichtsrat hat die Pflicht, die entsprechende Berichterstattung zu prüfen. Er hat damit zugleich die Chance, positiv Einfluss auf die Positionierung und die Reputation des Unternehmens zu können.
1 ABI. L 330 vom 15.11.2014, S. 1; ABI. L 369 vom 24.12.2014, S. 79.
2 Der Regierungsentwurf ist online unter www.bmjv.de abrufbar.
3 Mit dem expliziten Hinweis auf § 267 Abs. 3 Satz 1 HGB wird klargestellt, dass es sich um die kapitalmarktorientierten Gesellschaften handelt, die auch die dort genannten Kriterien überschreiten. Solche Gesellschaften, die lediglich aufgrund der Fiktion in § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB gross sind, fallen nicht unter die Berichtspflicht. Alle konzernbezogenen Regelungen finden sich in den § § 315b ff. HGB.
4 Vgl. hierzu auch Boecker/Zwirner, SteuK 2016, in Vorbereitung; siehe auch Wolf/Niemöller, IRZ 2016, S. 245.
5 Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der nicht-finanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 21.9.2016.
6 RegE of 21.9.2016, S. 1
7 Cf. Bortenlänger/von Altenbockum, BOARD 3/2016, S. 129 f.
8 §289c Abs. 2 HGB-E
9 §289c Abs. 3 HGB-E.
10 §289c Abs. 3 Nr. 6 HGB-E.
11 Vgl. Boecker/Zwirner, SteuK 2016, in Vorbereitung.
12 Vgl. zur Entwicklung in den letzten Jahren auch Zwirner, in: Zwirner (Hrsg.), Bi|RUG, 2016, S. 375 ff.
13 RegE vom 21.9.2016, S. 68 f.
14 Anregungen zur strategischen und kommunikativen Nutzung der Berichtspflicht nach der CSR-Richtlinie finden sich z.B. unter https://www.kammanrossi.de/blog/strategische-optionen-zur-umsetzung-der-csr-berichtspflicht.
Der Originaltext von Dr. Bernd Kasemir und Dr. Corinna Boecker ist unter dem Titel «Zunehmende Verantwortung für nichtfinanzielle Berichterstattung» in der Ausgabe 5/2016 von BOARD, der Zeitschrift für Aufsichtsräte in Deutschland, erschienen