Erstes Jahr nichtfinanzielles Reporting gemäss OR – und jetzt?

Dr. Daniel Lucien Bühr
Partner bei LALIVE
Dr. Martin Eckert
Gründungspartner von MME Legal Tax Compliance

Die Nervosität der Unternehmen war im Vorfeld der neuen OR-Bestimmungen deutlich spürbar. Viele Unternehmen fanden es schwierig, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben über die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit zu berichten, anstatt lediglich positive, imagefördernde Massnahmen und Erfolge im Bereich der Nachhaltigkeit hervorzuheben. Nach der Publikation der Berichte über das abgelaufene Geschäftsjahr halten sich daher oft die Erleichterung, die Berichterstattung (erfolgreich) abgeschlossen zu haben, und die Unsicherheit, wie man es beim nächsten Mal ruhiger und mit einem verlässlich korrekten Ergebnis machen kann, die Waage. Zusammen mit unseren Kunden und Mandanten haben wir einige Hinweise herausdestilliert, um für die Zukunft besser gewappnet zu sein.

Die Nachhaltigkeitsberichte für das Jahr 2023 in den Bereichen nichtfinanzielle Berichterstattung, Konfliktmineralien und Kinderarbeit (Art. 964a ff. OR) sind für viele grössere und mittlere Schweizer Unternehmen ein Meilenstein. Konkret müssen die betroffenen Unternehmen zu den folgenden Belangen berichten: Umwelt, insbesondere die CO2-Ziele, Arbeitnehmer, Soziales, Achtung der Menschenrechte, Bekämpfung der Korruption und allenfalls die Sorgfalt bei Konfliktmineralien und bei Kinderarbeit.

Jenseits der Schweizer Gesetzgebung sorgen allerdings auch eine zunehmend kritische Öffentlichkeit, der Druck von Investoren, Ratingagenturen und internationaler Peer-Pressure dafür, dass sich vieles bewegt. Für viele Schweizer Unternehmen ist es ausserdem wichtig, kompatibel mit den dynamischen regulatorischen Anforderungen der EU zu sein. CSRD und ESRS, CSDDD, EU-Entwaldungsverordnung und EU-Zwangsarbeitsverordnung sind in diesem Zusammenhang die wichtigsten Stichworte. In der Schweiz ist zusätzlich ab diesem Jahr die Pflicht zur TCFD-Klimaberichterstattung einschliesslich Transitionspläne verbindlich.

An was sollten Unternehmen denken, um aktuelle und künftige Herausforderungen gut zu meistern?

Es gilt dieselbe «True and Fair View» – Regel wie im Finanzreporting: prüfungssicher arbeiten

Die nichtfinanzielle Berichterstattung als wenig verbindlich oder «soft» im Sinne von Verlässlichkeit und Prüfungsanforderungen zu betrachten, ist kontraproduktiv. Qualitative und quantitative Informationen sollten in einem klaren, nachvollziehbaren Prozess erhoben, bearbeitet, geprüft und freigegeben werden. Nur dann sind verlässliche Aussagen möglich, die auch den kritischen Blicken externer Experten wie Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern standhalten können.

Oft fragen unsere Kunden und Mandanten nach Softwarelösungen, um die nötigen Abläufe zu systematisieren. Softwaregeleitete Verfahren sind aber erst dann sinnvoll, wenn die Governance der Nachhaltigkeit, die Inhalte, Prozesse, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen im Unternehmen gut entwickelt, erprobt und etabliert sind und die Software diese Strukturen dann im nächsten Schritt abbilden und unterstützen kann. Priorität hat eine inhaltlich tragfähige Struktur: Die Themenfelder, die nach Gesetz «zum Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit auf diese Belange erforderlich sind», müssen dazu systematisch erhoben und erarbeitet werden und die Konzepte und Sorgfaltsprüfung, die Massnahmen, wesentlichen Risiken und die Leistungsindikatoren einschliessen.

Fehlt oft: der Mut, die Tatsachen beim Namen zu nennen

Öffentlich und ausführlich über nichtfinanzielle Risiken des eigenen Geschäfts zu reden, gehört bisher nicht zur üblichen Unternehmenskultur. Gerade wenn es konkret wird und z. B. die Folgen von möglichen Betriebsstörungen, Unfällen oder operativen Versäumnissen auf verschiedenen Ebenen dargelegt werden müssen, fehlen fast immer die notwendigen Erfahrungen in der Unternehmensleitung, im Risiko- und Compliance-Management sowie auch in der Unternehmenskommunikation. In der Berichterstattung bleibt der Ton dann eher verhalten. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Transparenz wird aber nicht erreicht. Der erste Schritt dies zu optimieren: eine bessere, engere Verzahnung zwischen oberster Leitung, Unternehmenskommunikation, Nachhaltigkeitsmanagement und den Kontrollfunktionen (Risk, Compliance, Controlling).

Die Fertigstellung des ersten nichtfinanziellen Berichts bedeutet nicht automatisch, dass ein Unternehmen seine nichtfinanziellen Belange und ESG-Themen unter Kontrolle hat und diese nun als Routineaufgabe betrachten kann. Angesichts dessen, dass der Umfang der Anforderungen an die nichtfinanzielle Berichterstattung rasant zunehmen wird, ist eine reaktive und isolierte Herangehensweise weder wirksam noch effizient. Die Unternehmen müssen es schaffen, sich intern und in aller Regel mit externer Fachunterstützung so weiterzuentwickeln, dass sie solide Fähigkeiten und die erforderliche Leistung in Sachen ESG aufbauen. Nur so können sie auch die massiven zukünftigen Anforderungen erfolgreich erfüllen.

Voraussetzung: Kompetenzen bis ganz nach oben sicherstellen

Langfristig wird eine glaubwürdige und gesetzeskonforme Nachhaltigkeits-Berichterstattung ein zentrales positives Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb sein und als ein markenbildendes Element ein wichtiges «Aktivum» sein, um es in der Sprache der Bilanzen auszudrücken. ESG-Themen werden vermehrt zu «harten» Faktoren im Wettbewerb und brauchen das, was alle harten unternehmerischen Parameter benötigen: hohe Kompetenz und hohe Leistung.

Das gilt bis ganz nach oben. Die Verantwortung für die neu eingeführte nichtfinanzielle Berichterstattung und die Sorgfalt zu Konfliktmineralien und Kinderarbeit liegen bei allen Mitgliedern des Verwaltungsrats, die für die gesetzeskonforme Umsetzung direkt verantwortlich sind. Um die strategische Führung und Überwachung dieses Bereichs zu gewährleisten, ist ESG-Kompetenz innerhalb des Verwaltungsrates essenziell. Um etwaige Lücken zu schliessen, sind der Beizug externer Fachpersonen zur Beratung des VR, Weiterbildungen des Gesamt-VR zu nichtfinanziellen Themen und die Berufung von ESG-Spezialistinnen und Spezialisten in den Verwaltungsrat notwendige Massnahmen. Solche erweiterten Kompetenzen helfen Unternehmen, sich erfolgreich in einem dynamischen Umfeld zu positionieren und auch in Zukunft innovativ und erfolgreich zu sein.

Dieser Artikel erschien in The Reporting Times des Center for Corporate Reporting.


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