Die EU-Taxonomie – auch relevant für Schweizer Unternehmen

Euro bills in front of a forrest

Spätestens seit der Vorstellung des «European Green Deal» im Jahr 2019 ist nicht nur allen in der Europäischen Union klar geworden, dass das Thema Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren politisch hoch im Kurs stehen wird. Klimaneutralität bis 2050 lautet die Devise. So ist es nicht verwunderlich, dass ein EU-Aktionsplan mit Massnahmen für den Finanzsektor beschlossen wurde. Ziel dabei ist unter anderem, Investitionen in nachhaltige Technologien und Geschäfte zu lenken. Die sogenannte EU-Taxonomie ist Teil dieses EU-Aktionsplans.

Wie funktioniert die EU-Taxonomie und was soll damit erreicht werden?

Bereits im Mai 2018 hat die EU-Kommission in ihrem Aktionsplan zu nachhaltigem Finanzwesen diverse Legislativvorschläge unterbreitet. Einer davon ist die EU-Taxonomie-Verordnung. Es ist das Klassifizierungsinstrument der EU, um zu bestimmen, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als «grün» bezeichnet werden dürfen. In anderen Worten: Die Taxonomie legt fest, was nachhaltig ist und was nicht. Dabei steht das Erreichen der folgenden sechs Umweltziele im Fokus:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme

Die Taxonomie soll Greenwashing vermeiden und für mehr Transparenz hinsichtlich des Levels der Nachhaltigkeit von Finanzprodukten sorgen. Ausserdem soll sie eine Hilfestellung für Investoren und Unternehmen sein, um informierte Entscheidungen über umweltfreundliche wirtschaftliche Aktivitäten treffen zu können.

Die Taxonomie-Verordnung wurde im Juni 2020 erlassen. Sie stellt die regulatorische Basis dar. Nun folgen peu à peu zusätzlich «delegierte Rechtsakte» der EU-Kommission. Darin werden die technischen Überprüfungskriterien festgelegt. Bereits veröffentlicht sind die «delegierten Rechtsakte» zu nachhaltigen Aktivitäten für die Anpassungs- und Minderungsziele des Klimawandels. Anhand der Kriterien können Unternehmen bereits prüfen, ob ihre Produkte oder Dienstleistungen «Taxonomie-konform» sind. Zu beachten ist, dass der Fokus derzeit auf ökologisch nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten liegt, einen Schwerpunkt bilden Klimaschutzaspekte. Im weiteren Verlauf sollen zusätzlich soziale Kriterien und Governance-Aspekte unter der Taxonomie beachtet werden.

Die EU-Taxonomie sowie die aktuellen und künftige «delegierte Rechtsakte» mögen unübersichtlich wirken. Schlussendlich handelt es sich jedoch schlicht um ein Klassifizierungsreglement, das für einen besseren Überblick über nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten sorgen soll. Das bedeutet vor allem: Die Taxonomie bewirkt keine Unterteilung in «gute» und «schlechte» Unternehmen. Sie stoppt auch nicht die Möglichkeit, in bestimmte Bereiche zu investieren. Einige wirtschaftliche Aktivitäten werden in Zukunft lediglich nicht als «grün» gekennzeichnet.

Als «Taxonomie-konform» gelten Unternehmen, wenn …

  • ihre wirtschaftlichen Aktivitäten einen wesentlichen Beitrag zu einem der erwähnten sechs Umweltziele leisten,
  • sie den anderen fünf Umweltzielen keinen signifikanten Schaden (DNSH) zufügen,
  • den technischen Prüfkriterien entsprechen.

Für wen gilt die Taxonomie?

Die Taxonomie wurde entwickelt, damit Finanzmarktteilnehmer Vermögensanlagen, die Bestandteil ihrer nachhaltigen Produkte sind, besser einschätzen können. Daraus folgt, dass Unternehmen die Taxonomie anwenden müssen, weil sie es sind, die einen Grossteil der Anlagen darstellen. Die Verordnung gilt auch für Unternehmen, die im Rahmen der NFRD (Richtlinie über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen) bereits dazu verpflichtet sind, eine nicht-finanzielle Berichterstattung zu veröffentlichen. Die NFDR wird derzeit überarbeitet: Der Gesetzesentwurf der sogenannten «Corporate Sustainability Reporting Directive» (CSRD) liegt bereits vor. Die Anzahl dieser Unternehmen wird mit der CSRD erweitert. Taxonomie und CSRD sind eng verknüpft, denn die Anforderungen an die nicht-finanzielle Berichterstattung («Nachhaltigkeitsberichterstattung») von Unternehmen werden letztlich verändert und erweitert.

Was sind die Konsequenzen für Unternehmen?

Im Juli 2021 hat die EU-Kommission einen weiteren «delegierten Rechtsakt» veröffentlicht. Er ergänzt Artikel 8 der Taxonomie-Verordnung. Darin werden Regelungen zur Berichtspflicht bestimmt. Wenn Unternehmen der NFRD unterliegen, müssen sie berichten, inwieweit ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten nachhaltig sind. Die Kommission gibt den Unternehmen vor, welche Inhalte sie im Rahmen der Taxonomie offenlegen müssen und wie diese Informationen darzustellen sind. Auch die Methodik zur Erfüllung der Offenlegungspflicht steht fest. Damit entsteht ein Zusammenspiel zwischen bisherigen Regulierungen in der EU und der EU-Taxonomie. Die Taxonomie ist eine Art Bindeglied zwischen NFRD, respektive der CSRD, und der sogenannten Offenlegungsverordnung (SFDR): Einerseits müssen grosse Unternehmen über den Anteil ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten berichten, die Taxonomie-konform sind. Andererseits verlangt die SFDR, dass über nachhaltige Finanzprodukte rapportiert wird. Hier stehen genau jene Produkte im Mittelpunkt, die Taxonomie-konform sind. Das Ergebnis: Die Finanzmarktakteure sind über die (nachhaltigen) Aktivitäten eines Unternehmens informiert.

Durch einen global vernetzten Finanzmarkt weitet sich der Anwendungsbereich der Taxonomie international aus. Betroffen sind auch Schweizer Finanzmarktteilnehmer, die in der EU tägig sind. Die EU-Taxonomie tangiert beispielsweise Anbieter von Finanzprodukten und Unternehmen, die Finanzprodukte an EU-Kundschaft verkaufen wollen. Die EU-Regulierungen und weitere Vorhaben zur Nachhaltigkeit im Finanzsektor haben für Schweizer Unternehmen Auswirkungen auf die nicht-finanzielle Berichterstattung, denn die zu berichtenden Kennzahlen betreffen auch die Lieferketten. Zudem könnten Schweizer Unternehmen aufgrund ihrer internationalen und/oder grenzüberschreitenden Tätigkeit von den Berichtspflichten betroffen sein. Auch Schweizer Finanzmarktteilnehmer müssen folglich die von der EU eingeführten Regelungen zur Berichterstattung beachten. Die weitreichenden Konsequenzen werden klarer, je mehr «delegierte Rechtsakte» veröffentlicht werden. Ein positiver Effekt ist, dass auch Schweizer Investoren von den neuen Regulierungen profitieren – Stichwort Transparenz. Die neuen Standards geben allen die Möglichkeit, informierte Entscheidungen über nachhaltige ökologische Aktivitäten zu treffen.

Die EU setzt gewisse Nachhaltigkeits-Standards im Finanzsektor, die in dieser Art und Weise in der Schweiz bisher noch nicht oder auf freiwilliger Basis gelten. Gleichzeitig hat der Bundesrat verlauten lassen, dass die Schweiz ein führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen werden soll und die Empfehlungen der «Task Force on Climate-related Financial Disclosures» (TCFD) verbindlich werden sollen. Die EU-Standards könnten künftige Schweizer Regulierungen beeinflussen.

TCFD Empfehlungen

Die Empfehlungen wurden von dem sogenannten Financial Stability Board verfasst und dienen der Verbesserung und Ausweitung der Berichterstattung über klimabezogene Finanzinformationen. Dem «Financial Stability Board» wohnen 32 Mitglieder aus den G20-Staaten bei. Weiterführende Informationen finden Sie in unserem Artikel «Was ist TCFD und warum ist das wichtig?»

Ab wann gilt die EU-Taxonomie?

Die Taxonomie-Verordnung stellt den Rahmen für das Klassifizierungssystem der EU dar. Die detaillierten Umsetzungsfragen werden in den «delegierten Rechtsakten» definiert. Da die Verordnung nicht mehr in nationales Recht umgesetzt werden muss, wirkt die EU-Taxonomie bereits formal seit 2020. EU-Unternehmen, die bereits unter der NFRD zu nicht-finanzieller Berichterstattung verpflichtet sind, müssen im Rahmen der Taxonomie ab 2022 (also für das Geschäftsjahr 2021) über ihre «grünen» Wirtschaftsaktivitäten berichten. Künftig werden noch weitere «delegierte Rechtsakte» veröffentlicht, so dass Unternehmen in Zukunft zusätzliche Kriterien anwenden müssen.

Wird es eine Schweizer Taxonomie geben?

Der Bundesrat schreibt dazu in seinem Bericht «Nachhaltigkeit im Finanzsektor Schweiz» im Abschnitt «Massnahmen», dass derzeit eine Regelung ähnlich der EU-Taxonomie nicht geplant sei, u. a. da ein solcher Schritt «aus regulatorischer Sicht» sehr «komplex» sei. Dennoch werden die Entwicklungen auf EU-Ebene und international «eng verfolgt». Somit gibt es Hinweise dafür, dass der Druck auf Schweizer Unternehmen nicht nur indirekt über europäische Regulierungen und Marktanforderungen zunimmt, sondern dass auch hierzulande der direkte regulatorische Druck zunehmen kann.

Wie wir Unternehmen mit Blick auf die EU-Taxonomie unterstützen

Wir entwickeln Empfehlungen für die Unternehmenskommunikation, Investor Relations und das Senior Management. Auf dieser Basis können sich Unternehmen zum EU-Aktionsplan aufstellen – vorgeschlagene und bereits geltende Gesetze inklusive. Dabei geht es nicht um eine blosse «Compliance-Übung». Vielmehr steht ein klarer Mehrwehrt für die Unternehmen im Mittelpunkt: Sie gewinnen Klarheit über ihren Weg zu mehr Nachhaltigkeit und positionieren sich glaubwürdig zu diesem zentralen Zukunftsthema.


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